Auch wenn die süßen Langohren in der Regel munter vor sich hin mümmeln, sind sie nicht vor Krankheiten gefeit. Die sogenannte Enzephalitozoonose gehört bei Kaninchen zu den vergleichsweise weit verbreiteten Erkrankungen. Bei uns erfährst Du, was es mit der Enzephalitozoonose auf sich hat, wie gefährlich sie wirklich ist und wie Du die Behandlung des „Schiefkopfs“ bei Deinen Kaninchen unterstützen kannst.

Was ist Enzephalitozoonose?

Die Enzephalitozoonose ist eine Infektionskrankheit, die sowohl Kaninchen als auch andere Säugetiere sowie Fische und Vögel befallen kann. Urheber der durch einen Parasiten ausgelösten Krankheit ist der Erreger Encephalitozoon cuniculi (kurz: EC). Dabei handelt es sich um einen weltweit verbreiteten, sporenbildenden Einzeller.

Einmal im Körper des Kaninchens angelangt, setzen sich die Erreger mit Vorliebe in den Zellen von Augen, Nieren, Rückenmark und Gehirn fest. Dementsprechend groß kann der Einfluss auf die Funktion der Organe bzw. das Nervensystem sein. Da es bei Kaninchen häufig zu einer Schiefstellung des Kopfes kommt, ist die Erkrankung auch als „Schiefkopf“ oder „Sternguckerkrankheit“ bekannt.

Wichtig: Infektion bedeutet nicht Erkrankung

Wie bei vielen parasitären Erkrankungen ist die Infektion mit dem Parasiten noch nicht gleichbedeutend mit dem Ausbruch der eigentlichen Krankheit. In diesem Fall: Enzephalitozoonose. Schätzungen von Tierärzten lassen vermuten, dass bis zu 80 Prozent aller Heimkaninchen mit dem Erreger infiziert sind.

Die Erkrankung selbst zeigt sich mit ihren Symptomen aber lediglich bei zehn Prozent aller Tiere. Eine Untersuchung aus Bayern aus dem Jahr 2009 belegt, dass damals rund 40 Prozent aller untersuchten Heimkaninchen den EC-Erreger in sich trugen.

Wie kann sich mein Kaninchen mit Enzephalitozoonose infizieren?

Der Erreger Encephalitozoon cuniculi ist sehr hartnäckig, was die Eindämmung schwierig macht. Die infektiösen Sporen gelangen hauptsächlich über den Urin infizierter Kaninchen in die Umwelt. Das Problem: Diese Sporen können dort bis zu zwei Jahre lang überdauern und bleiben infektiös. Weitere Infektionswege sind das Futter oder die Fellpflege der Kaninchen untereinander.

Über den Darm gelangt der Erreger schließlich in die Blutbahn und die Organe. Dort siedelt er sich an, vermehrt sich und zerstört die befallenen Zellen. Während ein gesundes Immunsystem die Erreger in Schach hält, ist das Ausbruchsrisiko bei geschwächten Tieren ungleich größer. Risikofaktoren sind neben Vorerkrankungen die Gabe von Kortison und Stress. Zu den typischen Stress-Faktoren zählen auch neue Partnertiere oder ein Umgebungswechsel.

Ist Enzephalitozoonose auch für andere Tiere oder Menschen gefährlich?

Es handelt sich bei Enzephalitozoonose um eine klassische Zoonose. Dementsprechend besteht auch für andere Tiere, die in Deinem Haushalt leben, eine Infektionsgefahr. Gefährdet sind jedoch in erster Linie andere Kaninchen sowie Meerschweinchen.

Bei anderen Tierarten sind Erkrankungen relativ selten. Hunde sind aller Wahrscheinlichkeit sogar resistent gegenüber dem Erreger. Auch für gesunde Menschen besteht so gut wie keine Gefahr. Lediglich bei Menschen mit extrem geschwächtem Immunsystem (z. B. HIV- und Chemo-Patienten) ist eine signifikante Erkrankungsgefahr gegeben.

Symptome für Enzephalitozoonose bei Kaninchen

Die Problematik besteht zunächst einmal darin, dass sich eine Infektion mit den Parasiten nicht zwingend anhand von Symptomen zeigt. Erschwerend kommt hinzu, dass es kein klinisches Bild gibt, das bei allen Kaninchen auftritt. Die Folge: Die Enzephalitozoonose wird häufig übersehen. Die folgenden Symptome können jedoch auf eine akute Infektion mit Enzephalitozoonose hindeuten:

  • Veränderungen im Bereich der Augen: Zum Beispiel vermehrter Tränenfluss, schmerzhaft vergrößerte Augäpfel, Lidkrämpfe, sichtbare Rötung durch vermehrt sichtbare Blutgefäße, weiße Flocken im Pupillenbereich, Linsentrübung (in schweren Fällen Erblindung)
  • Einschränkungen der Nierenfunktion: Zum Beispiel ungewöhnlich häufiges Trinken und Urinieren, Entwicklungsstörungen bei jungen Kaninchen, Gewichtsverlust, Apathie
  • Beeinträchtigung des Nervensystems: Zum Beispiel Kopfschiefhaltung, Im-Kreis-Laufen, Rollen um die Körperachse, ruckartige und pendelnde Augenbewegungen, Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, häufiges Umfallen, Krämpfe, Lähmungen der Hinterbeine
  • Weitere unspezifische Symptome: Zum Beispiel plötzlicher Kreislaufzusammenbruch, Teilnahmslosigkeit, langes auf der Seite liegenbleiben, Bauchkrämpfe, Blähungen und Erbrechen ohne erkennbare Ursache

Enzephalitozoonose Diagnose: So erkennt der Tierarzt die Krankheit

Für eine sichere Diagnose ist der Gang zum Tierarzt unerlässlich. Je früher die Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Chancen, dass im Akut-Fall alle Symptome wieder verschwinden. Die Blickdiagnose durch den Tierarzt ist dabei nur ein Schritt. Wesentlich wichtiger ist eine Blutuntersuchung im Labor. Bei der Diagnose kommen zwei Verfahren zur Anwendung. Erstens der sogenannte Tusche-Test, der die Existenz von Antikörpern nachweist. Genauer ist der Immunfluoreszenz-Antikörpertest, da sich der Antikörper-Gehalt des Blutes über den sogenannten Titer deutlich genauer bestimmen lässt.

Behandlung und Therapie von Enzephalitozoonose

Die schlechte Nachricht zuerst: Die Enzephalitozoonose ist aktuell nicht heilbar. Auch eine vorbeugende Impfung gibt es nicht. Jetzt aber zur guten Nachricht für Dich und Deine Schlappohren: Dank der modernen Tiermedizin ist es möglich, die Symptome sehr gut zu behandeln und die weitere Ausbreitung der Erreger einzudämmen. Wichtig ist jedoch, dass zwischen dem ersten Verdacht und dem Therapiebeginn so wenig Zeit wie möglich verloren geht. Wartest Du zu lange, können bleibende Schäden wie dauerhafte Lähmungen zurückbleiben.

In der Therapiepraxis hat sich die Kombination verschiedener Präparate als wirksam erwiesen. Allem voran steht die Gabe eines hochwirksamen Antiparasitikums zum Abtöten des Erregers. Häufig handelt es sich dabei um das eigentlich als Wurmmittel verwendete Präparat Fenbendazol. Wichtig ist, dass das Medikament über eine Dauer von 21 bis 28 Tagen verabreicht wird, um die Erreger möglichst sicher abzutöten und Resistenzen zu vermeiden.

Hinzu kommt ein Antibiotikum, das Entzündungserscheinungen im Gehirn und Nervensystem bekämpft und deren weitere Ausbreitung verhindern soll. Abgerundet wird die Behandlung meist durch die Gabe eines Vitamin-B-Komplexes. Dieses soll die Regeneration der Nerven fördern. Sind Bereiche wie die Augen betroffen, sind weitere Maßnahmen wie Infusionen, Augentropfen oder Salben zur Symptom-Behandlung nötig.

Achtung, infektiös!

Selbst wenn Dein Schlappohr die akute Krankheitsphase gut überstanden hat, trägt es die Erreger weiter in sich. Das bedeutet, dass es den Erreger weiter verbreiten und auch selbst rückfällig werden kann. Aber wie bereits erwähnt: Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der geschilderten Symptomatik liegt bei ungefähr zehn Prozent.  

So kannst Du die Behandlung unterstützen

  • Halte infizierte Tiere nach Möglichkeit nicht direkt in engem Kontakt zusammen mit noch nicht infizierten Kaninchen.
  • Um infizierte Tiere vor einem Rückfall zu schützen, solltest Du sie möglichst stressarm halten. Vermeide dazu unnötige Stress-Faktoren wie Umzüge oder Partnerwechsel.
  • Eine gesunde und ausgewogene Ernährung hält den Stresslevel ebenfalls tief und stärkt die Immunabwehr. So hält das Immunsystem Deiner Tiere den Erreger selbst in Schach.
  • In Fall akuter Erkrankungen, die das Immunsystem schwächen, kann der Tierarzt phasenweise Fenbendazol verschreiben.

Wie Du Dich und andere Menschen vor einer Infektion schützt

Die Ansteckungsgefahr für Menschen ist gering und für Personen mit einem gesunden Immunsystem in der Regel unproblematisch. Deine Kaninchen wegen einer Infektion gleich abzugeben, ist also nicht erforderlich. Nach dem Kontakt mit Deinen Kaninchen und vor allem deren Urin reicht eine einfache Hand-Hygiene aus.

Durch gründliches Händewaschen mit Seife bist du bereits auf der sicheren Seite. Menschen mit schwachem Immunsystem sollten den Kontakt mit infizierten Tieren jedoch unbedingt meiden. Um die Verbreitung zu minimieren und möglichen Gefahren zuvor zu kommen, ist die Haltung infizierter Kaninchen in Pflegeheimen und Kindergärten ebenfalls nicht zu empfehlen.