Kater Karlo führt eigentlich ein entspanntes Leben: Futter, Wasser und Streicheleinheiten gibt es auf Wunsch und es ist immer kuschelig und gemütlich zu Hause. Aber eine Sache fragt er sich schon länger: “Wie sieht eigentlich die Welt vor der Haustür aus?”. Kurzerhand unternimmt er auf eigene Faust einen Ausflug.

Mir reicht es. Jeden Tag geht dieser Typ aus meinem Haus und kommt erst wieder, wenn es dunkel ist. Dann muss ich immer diese trockenen Bällchen essen. Ja, okay, die sind schon in Ordnung, aber wozu habe ich meinen Menschen, wenn er mir nicht dreimal am Tag diese saftigen Stückchen und Pasteten auftischt? Außerdem will ich gekrault werden. Und zwar dann, wann ICH es will. Was bringt mir das, wenn der nach einer Ewigkeit nach Hause kommt und mir nur halbherzig übers Fell streicht, weil er offenbar andere Dinge zu verrichten hat?

Damit ist jetzt Schluss. Ich werde ihn verfolgen und das von ihm einfordern, wofür er verdammt nochmal da ist! Die letzten Tage habe ich extra das erste Frühstück weggelassen, um ihn zu beobachten. Doch da gab es absolut keine Möglichkeit, mit nach draußen zu kommen. Immer wenn ich an der Tür stand, als er gerade raus wollte, hat er mich zurückgedrängt und auf meinen Kratzbaum getragen. Wenigstens konnte ich dabei ein paar Streicheleinheiten absahnen. Heute versuche ich es mal mit permanenter Ablenkung. Ich streife einfach die ganze Zeit um seine Beine, dann wird er es am Ende gar nicht merken, wenn ich mit ihm nach draußen gehe.

Der lässt sich am Morgen ganz schön viel Zeit

So. Ich liege am Fußende seines Bettes und warte. Wann steht der denn endlich auf? Huch! Ein ohrenbetäubendes Geräusch ertönt und ich erschrecke. Aber immerhin – er regt sich. Endlich! Meine Güte, wie kann er dieses Gepiepse nur jeden Tag ertragen? Ich trete ein wenig auf seinem Bauch herum, da er immer noch nicht aufsteht. Komm schon! Jetzt geht es los. Er setzt sich auf und krault mich ein wenig unter dem Kinn. Crrrrrmmmm, wie ich das genieße… Aber halt! Nicht wegdösen!

Es geht los. Ich begleite ihn überall mit hin. Ins Bad, in die Küche, ins Wohnzimmer – manchmal stolpert er fast über mich. Haha, das macht Spaß! Ich ärgere ihn ja gern. Besonders, indem ich mich auf Sachen lege, die er mag oder gerade benutzen will. Am liebsten habe ich sein komisches Gerät, auf dem er immer mit seinen Kraulgeräten herumschlägt und das diese ganzen verschiedenen Bilder zeigt. Das ist immer so schön warm.

Die Flucht glückt – und jetzt?

Okay, es geht los. Er öffnet die Tür, aber versucht mich zu blockieren. Mist! Ich komme einfach nicht durch! Jetzt scheint ihm irgendetwas einzufallen, er geht zurück in die Küche – und lässt die Tür offen. Das ist meine Gelegenheit! Ich schaue kurz und schlüpfe hinaus. Es macht einen lauten Knall, ich erschrecke mich und laufe einfach irgendwo hin. Hier gibt es ja gar nichts zum Verstecken! Ich rase einige Stufen herunter und durch eine offen stehende Tür – meine Güte, was ist denn hier los? So viele Geräusche, so viele Gerüche! Ich erspähe eine große Kiste mit Rädern und verstecke mich darunter. Erst einmal durchatmen.

Nachdem ich mich beruhigt habe, spähe ich langsam unter der Kiste hervor. Hm, die Luft scheint rein zu sein. Ich verlasse mein schützendes Versteck und schaue mich um. Wow … Hier gibt es so viel zu entdecken! Da! Ein Vogel! Ich rase auf ihn zu, im letzten Moment scheint er mich zu sehen und fliegt weg. Hihi, das macht Spaß! Ich beobachte ihn, wie er in den Himmel aufsteigt und ein paar Artgenossen trifft. Hm. Ob ich vielleicht auch jemanden treffe, der so aussieht wie ich?

Ich spaziere aus dem Hof heraus, der offenbar meinem Menschen gehört. Rechts und links scheint es nicht sehr spannend zu sein. Nur Häuser, die genauso aussehen wie meines. Doch genau vor mir, da gibt es bestimmt viel zu entdecken! Ein Weg aus saftigem grün, begrenzt von riesengroßen Hecken. Dahinter stehen ab und an kleine Häuschen. Manche haben sogar ganz viele bunte Pflanzen davor! Und was war das? Ein Windzug weht einen bekannten Duft zu mir. Hmmm das riecht wie … dieses grüne Zeug mit den weißen Köpfen, das mir mein Mensch manchmal mitbringt. Da würde ich mich am liebsten immer reinlegen – Vielleicht kann ich das jetzt ja sogar?

Von rechts kommt ein tief brummendes Geräusch und wird immer lauter – eine Kiste wie die, unter der ich mich versteckt hatte, nur viel größer, kommt auf mich zu! Ich weiche in wenig zurück, sie zieht an mir vorbei und entfernt sich wieder. Bäh! Das stinkt! Ich überquere den Weg, auf der dieses Stinkmonster fährt und schaue mir das grüne Paradies auf der anderen Seite genauer an.

Ein Ort zum Wohlfühlen

Ich betrete den bewachsenen Weg und merke, wie weich meine Pfoten aufkommen. Das gründe Zeug unter mir riecht zwar ganz angenehm, aber zum essen ist das nicht! Ich gehe ein wenig weiter und blicke neugierig nach rechts und links. Die Hecke hört auf einmal auf und ein Tor erscheint. Ich nähere mich dem Gatter und… Pfui Teufel! Ein beißender Gestank steigt mir in die Nase. Fauchend springe ich zurück. Auf der anderen Seite ist weiteres ein Tor – dann gehe ich eben da hinein.

Mit meinen Pfoten schiebe ich das Tor ein wenig an, es scheint nur angelehnt gewesen zu sein. Ich schlüpfe durch den Spalt. Eine bunte Pflanzenlandschaft liegt vor mir. Das sieht ja richtig schön aus! Dahinter steht noch eine kleine Holzhütte. Auch der betörende Geruch von vorhin scheint von hier zu stammen. Ich schau mich um und schnuppere an den Blumen. Doch ich werde auf meiner Erkundungstour unterbrochen: Ein tiefes Mauzen lässt mich aufhorchen. Ich drehe mich zum Tor. Da steht ein alter, wild aussehender, schwarzer Kater mit kahlen Stellen im Fell und einem lädierten Ohr. Was dem wohl passiert ist? Er kommt auf mich zu.

„Na, das erste Mal hier?“, fragt er mich. Ich antworte ihm: „Ja, ich war noch nie außerhalb meines Hauses und wollte wissen, wie es so ist!“. Er geht an mir vorbei, dreht sich um und blickt mich bedeutungsschwer an. „Wenn das so ist … Komm mit, ich zeig Dir mal was!“ Er deutet mit seinem Kopf näher in Richtung der Hütte und geht darauf zu. Ich folge ihm und bemerke, dass er mit seiner rechten Hinterpfote leicht humpelt. „Was ist Dir denn passiert?“, frage ich ihn. Er schüttelt mit dem Kopf und gibt mir zu verstehen, dass er darüber nicht reden will.

Er führt mich zu einem Strauch mit weißen Köpfen – Daher stammt der Geruch! „Das ist Baldrian!“, gibt mir der verwegene Kater zu verstehen, schnuppert daran und legt sich ins Gras. „Komm zu mir, ich erzähle Dir mal was.“ Wortlos gehe ich zu ihm. Doch der Geruch des Baldrian macht mich ganz verrückt und ich wälze mich auf der Wiese umher. „Reiß Dich zusammen!“, faucht mich der schwarze Kater nach einer Weile an. Ich stelle mich wackelig auf meine vier Pfoten und komme langsam wieder zu Sinnen. „Du findest es vielleicht total aufregend hier draußen“, fängt der Kater in einem ernsten Ton an zu erzählen. „Doch es lauern hier auch viele Gefahren. Nicht alle Menschen mögen unsere Art, ich gerate manchmal mit einem Hund aneinander und auch die Autos auf der Straße sind eine ernste Bedrohung.“ Er erzählt mir davon, wie er einmal fast überfahren, von einem Hund überfallen wurde und manche Menschen ihn immer erschrecken und auf ihn zu rennen, wenn sie ihn sehen. Dennoch könne auch ich eine schöne Zeit draußen haben, sofern ich auf ein paar Dinge achte.

Wieder nach Hause

So langsam wird es dunkel. Und bei diesen Geschichten wird mir ganz mulmig. Ich denke an meinen Kratzbaum, die Krauleinheiten meines Menschen und die heimelige Stube mit meinen Futternäpfen. Es wird so langsam auch dunkel. Ich bedanke mich bei dem Kater für alles, was er mir erzählt und gezeigt hat und verabschiede mich. Schnell laufe ich den Weg zurück, schlüpfe durch das Tor am Eingang zu dem grünen Weg, gehe ihn zu Ende, überquere die Straße zu meinem Hof und – da steht schon mein Mensch! Offenbar hat er mich schon gesucht.

Ich laufe auf ihn zu und streiche schnurrend um seine Beine. Er streichelt mich, nimmt mich hoch und trägt mich zurück in mein Reich. Er gibt mir frisches Wasser und das wohl leckerste Essen, was ich jemals hatte. Er bleibt bei mir, bis ich aufgefressen habe und verwöhnt mich mit ausgiebigen Streicheleinheiten und Leckerlis. Zuhause ist es doch immer noch am schönsten. Schnurrend döse ich auf seinem Schoß ein. Das war aufregend! Erstmal schlafen.

KATER KARLOS PLÄDOYER AN DIE MENSCHEN

Wir Wohnungskatzen sind neugierig, aber auch ängstlich, wenn wir mit einer ungewohnten Umgebung konfrontiert werden. Wenn wir weglaufen, solltest Du zunächst Ruhe bewahren. Im Normalfall werden wir uns nicht weit von Deinem Zuhause entfernen. Frage Nachbarn um Hilfe, verteile Flugblätter und rufe beim Tierheim an, frage bei der Gemeinde oder Polizei und kontaktiere Tierärzte in der Nähe. Vielleicht wurde Deine Katze schon gefunden. Bei Tasso kannst Du uns unter der Nummer 49 (0) 61 90 / 93 73 00 vermisst melden. Der Verein benachrichtigt Tierfreunde in der Umgebung, die Dir helfen können.