„Rüde oder Hündin, das ist hier die Frage!“ Es ist zwar nicht überliefert, ob sich der Dramatiker und bekennende Hundefreund William Shakespeare über dieses Thema ebenso den Kopf zermartert hat wie über seine Stücke. Dennoch teilt die Geschlechterfrage die Hunde-Community schon mindestens ebenso lange, wie es Zuchtvereine gibt.

Tatsächlich kursieren etliche Meinungen und Vorurteile, die mal eher zur einen und mal eher zur anderen Seite ausschlagen. Sind Rüden wirklich aggressiver? Verhalten sich Hündinnen tatsächlich folgsamer? Oder ist es vielmehr so, dass Rüden toleranter gegenüber Welpen und Hündinnen bisweilen ausgekochte Zicken sein können?

Darauf gibt es keine eindeutige Antwort – und schon gar keine pauschale! Aus diesem Grund versuchen wir einmal, die Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen auf objektiver Basis herauszuarbeiten, um Dir die Entscheidung zu erleichtern.

Klischee Nummer 1 – Rüden sind schwerer zu erziehen

Es hat sich tief im Verständnis von uns Menschen eingebrannt: Rüden gelten prinzipiell als schwer erziehbar. Sie pöbeln an der Leine, benehmen sich anderen Hunden gegenüber rüpelhaft, sind schnell erregbar und vor allem dominant. Insbesondere die zugeschriebene Dominanz ist es, die viele potenzielle Hundehalter vom Kauf eines Rüden abschreckt.

Wer will schon ständig seine Kräfte mit einem halbstarken Schlappohr messen, wenn er es einfacher haben kann? Die Realität aus der Hundeerziehung zeigt, dass die Unterschiede in Sachen Erziehbarkeit kaum vom Geschlecht abhängig sind. Deutlich wichtiger sind die angezüchteten Rasseeigenschaften sowie der individuelle Charakter.

Grundsätzlich sind Rüden und Hündinnen der gleichen Rasse etwa gleich gut (oder gleich schwer) erziehbar. Während ein Labradorrüde für ein Stückchen Trockenfutter nahezu alles tut, ist so manche Dachshündin dickköpfiger als ein trotziges Kleinkind. Wenn es Dir um die Erziehbarkeit geht, musst Du Dir also um das Geschlecht keine Gedanken machen – die Rasse ist entscheidend.

Leichterziehbare Rassen Schwererziehbare Rassen
– Golden Retriever
– Labrador
– Französische Bulldogge
– Calier King Charles Spaniel
– Bichon Frisé
– Bulldogge
– Haveneser
– Pudel
– Mops
– Malteser
– Foxterrier
– Irish Setter
– Schäferhund
– Jack Russel Terrier
– Dalmatiner
– Basset
– Pekinese
– Dachshund
– Bluthund

Klischee Nummer 2 – Hündinnen sind umgänglicher

Dieses Klischee haben wir offensichtlicherweise aus der Menschenwelt einfach auf unsere Hunde übertragen. Gemeinhin gelten Hündinnen gegenüber den pöbelnden und rauflustigen Rüden nämlich als umgänglich, friedlich und anhänglich. Was die Anhänglichkeit betrifft, ist in der Realität sogar das Gegenteil der Fall.

Tendenziell sind Rüden oftmals deutlich anhänglicher und verspielter als Hündinnen – Ausnahmen bestätigen die Regel. Was dagegen stimmt, ist, dass Hündinnen behutsamer mit Menschennachwuchs spielen, während sie je nach Laune und Zyklus-Zustand zickig auf Hundewelpen und Junghunde reagieren. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für den Kontakt mit anderen Hündinnen.

Rein oberflächlich sehen die Begegnungen etwas geruhsamer aus als bei Rüden, die sich oftmals mit aufgestellter Rute umkreisen. Können sich zwei Damen jedoch so überhaupt nicht leiden, fliegen nicht selten die Fetzen. Bei Rüden bestehen die Auseinandersetzungen dagegen meist nur aus heißer Luft.

Auch gegenüber Hundewelpen sind Rüden tendenziell toleranter. Es könnten schließlich die eigenen sein. Ohne hier falsche Schlüsse zuzulassen: Das ist nun einmal das genetische Programm, das bei Rüden abläuft. Menschlicher Nachwuchs dagegen muss bei Rüden häufig etwas mehr einstecken, sieht das Schlappohr die tapsigen Zweibeiner doch als hervorragenden Kameraden zum Raufen.

Klischee Nummer 3 – Nur Rüden markieren

Rüden heben ständig und überall ihr Beinchen. Und dort, wo ein Rüde markiert, folgen gleich 20 weitere, um ihr Revier zu markieren. Ja, es stimmt: Rüden sind Meister im Markieren. Und sie tun es oft und gerne. Dabei trifft es zum Leidwesen von Frauchen oder Herrchen auch immer einmal wieder Orte, an denen Hundeurin nicht so gern gesehen ist.

Wer diesem Problem aus dem Weg gehen will, legt sich einfach eine Hündin zu und das Thema ist erledigt, oder? Falsch gedacht! Sicherlich markieren Rüden weitaus häufiger als Hündinnen. Dennoch lassen es sich auch die Damen nicht nehmen, zu Markierungszwecken in des Nachbars Blumenbeet zu pinkeln. Die Tendenz zum Markieren ist also auch bei Hündinnen vorhanden, wenn auch deutlich stärker vom Individuum abhängig.

Klischee Nummer 4 – Eine Hündin macht mehr Arbeit

Eines der Argumente, das gegen die Anschaffung einer Hündin ins Feld geführt wird, ist der Arbeitsaufwand. Demnach soll eine Hündin deutlich mehr Arbeit verursachen als ein Rüde. Ihre Wurzel hat die Annahme in der Tatsache, dass jede nicht kastrierte Hündin (dazu später mehr) ihre Periode bekommt und ungewollt schwanger werden kann.

Ja, Hündinnen sind rasseabhängig einmal bis zweimal pro Jahr läufig. In dieser Zeit kommt es zu Regelblutungen. Bei vielen Hündinnen wirst Du davon jedoch mit Ausnahme einiger weniger Blutströpfchen auf dem Fußboden wenig mitbekommen. Die meisten Hündinnen sind hier nämlich sehr pingelig, was die Hygiene angeht und beseitigen die Spuren der Läufigkeit selbst. Und für den Notfall gibt es für Hündinnen immer noch spezielle Läufigkeitshöschen, mit denen Du Deine Polster schonen kannst.

Das Thema ungewollte Schwangerschaft dagegen ist schon ein größeres Problem. Immerhin verursacht ein Wurf von neun bis zwölf kleinen Fellnasen tatsächlich einen immensen Berg an Arbeit. Aber wenn Du während der Läufigkeit aufpasst und einige Sicherheitsmaßnahmen ergreifst, passiert auch hier gar nichts. Hündinnen machen meist also nicht mehr Arbeit als Rüden.

Klischee Nummer 5 – Hündinnen sind folgsamer

So viel ist klar: Rüden neigen zum Streunen. Immerhin sind sie im Gegensatz zu Hündinnen das ganze Jahr über paarungsbereit und damit stets auf der Suche nach einer potenziellen Partnerin. Wie es das Unglück will, ist auch irgendwo in der Nachbarschaft immer eine Hündin läufig. Aber hättest Du gedacht, dass es auch Hündinnen faustdick hinter den Ohren haben?

Sie zeigen das typische Streunerverhalten zwar nur einmal bis zweimal jährlich, wenn sie läufig sind. Dafür aber kann der Drang zum Ausbüxen deutlich stärker ausfallen. So mancher Halter hat schon leidvolle Erfahrungen mit abenteuerlustigen Hündinnen machen müssen, die nichts unversucht gelassen haben, um während der sogenannten Hitze einfach nur zu Rüden zu gelangen.

Selbst die tollsten Leckerlies und Spielangebote bringen in dieser Situation herzlich wenig. Und von Abrufbarkeit müssen wir innerhalb dieses gut zehn Tage dauernden Zustands gar nicht erst anfangen. Aber keine Angst, der Spuk ist nur von kurzer Dauer. Per se folgsamer sind Hündinnen also ebenfalls nicht.

Ein objektiver Blick auf die Realität von Rüden und Hündinnen

Stellvertretend haben wir uns die fünf verbreitetsten Klischees angesehen, was die angeblich typischen Eigenschaften von Rüden und Hündinnen betrifft. Wir stellen eins fest: Während so manches Klischee überholt ist oder sogar das Gegenteil zutrifft, sind die tatsächlichen Verhaltensunterschiede kleiner als gedacht.

Ferner sind sie eher von der Rasse als vom Geschlecht abhängig. Umso wichtiger ist es, dass wir die Subjektivitätsbrille absetzen und uns auf die tatsächlichen Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen innerhalb einer Rasse konzentrieren. Und das sind tatsächlich nur drei zentrale Punkte:

  • Größe und Statur: Grundsätzlich sind Rüden größer und kräftiger gebaut als Hündinnen. Dadurch ergibt sich in der Praxis auch ein deutlicher Gewichtsunterschied. Bei größeren Rassen fällt der Größen- und Gewichtsunterschied zwischen Rüden und Hündinnen deutlich eher ins Gewicht. Hier kann die Gewichtsdifferenz leicht bei zehn Kilogramm liegen. Dir muss bewusst sein: Diese zusätzlichen zehn Kilogramm eines Rüden musst Du auch dann bändigen können, wenn Dein Schlappohr einem Reh hinterherjagen will.
  • Anatomie: Auch in Sachen Anatomie bestehen deutliche Unterschiede zwischen Rüden und Hündinnen. Das betrifft offensichtlicherweise die Geschlechtsmerkmale. Je nach Lesart soll deshalb das jeweils eine oder andere Geschlecht anfälliger oder weniger anfällig für Erkrankungen sein. Rein statistisch ergibt sich hier jedoch kein signifikanter Unterschied, was die absoluten Zahlen angeht. Lediglich die Art der Erkrankungen unterscheidet sich.
  • Fellbeschaffenheit: Kommen wir zum dritten und wohl unwichtigsten Punkt der offensichtlichen Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern, der Fellbeschaffenheit. Tendenziell haben Rüden mehr Fell als Hündinnen. Bei langhaarigen Rassen ist dieses häufig auch länger. Der einzige Unterschied für Dich: Du musst vielleicht einmal im Monat öfter zum Staubsauger greifen.

Ist die Kastration eine sinnvolle Lösung?

Lange Zeit galt die Kastration als Allheilmittel, um die geschlechterspezifischen Eigenschaften in den Griff zu bekommen. So mancher Hundehalter erhofft sich, dass durch ein paar Schnitte ein völlig veränderter Hund vor ihm steht. Das ist allerdings ein Trugschluss. Umso wichtiger ist es, dass Du die Folgen einer Kastration bei Rüden und Hündinnen verstehst.

Es handelt sich um einen ernsthaften Eingriff, der nicht leichtfertig vorgenommen werden darf. Immerhin greift er massiv in den Hormonhaushalt ein und kann den Charakter Deines Hundes drastisch verändern. Dabei ist bei Weitem nicht gesagt, dass auch die gewünschte Effekte eintreten.

Während die Kastration bei Rüden vergleichsweise einfach vorgenommen werden kann, ist bei Hündinnen eine große Operation unter Vollnarkose nötig. Merke: Eine Kastration ersetzt niemals eine ausreichende Erziehung. Ob eine Kastration dennoch sinnvoll sein kann, besprichst Du am besten mit Deinem Tierarzt.

Rüde oder Hündin – Wer passt besser zu mir?

Tja, wer passt nun besser zu Dir, ein Rüde oder eine Hündin? Diese Frage können wir Dir nicht beantworten. Das musst Du auf Basis der Informationen für Dich selbst entscheiden. Triff Deine Entscheidung abseits von den üblichen Vorurteilen. Wirklich charakterprägend ist in erster Linie die Rasse, Deine Bindung zu Deinem Hund sowie eine gewissenhafte Erziehung. Lediglich in einem Punkt möchten wir Dir einen Ratschlag geben.

Entscheidest Du Dich für ein große Rasse, solltest Du bei Deiner Entscheidung immer das spätere Gewicht und die Kraft Deines Hundes im Auge behalten. Zierliche Personen kommen mit einer grazileren Hündin im Alltag deutlich besser zurecht als mit einem über zehn Kilogramm schwereren Rüden.