Hund und Baby sind die besten Freunde. Sie spielen, kuscheln und entdecken die Welt, alles gemeinsam. So sieht das Wunschdenken aus. Die Realität kann aber ganz anders aussehen. Unsere Autorin ist Hundemama und Mutter eines sieben Monate alten Sohnes. In den ersten Monaten war es oft ein Kampf, mit vielen Hürden, Pipi auf dem Teppich und einem schlechten Gewissen.
Neulich lag ich morgens im Bett. Mein Mann neben mir, zwischen uns unser Sohn und Dackel Igor. Während wir Eltern so langsam wach wurden, war unser Sohn schon quietschvergnügt, denn Igor schlabberte ihm – mit einer Wonne wie es nur ein Hund kann – die Füße ab. Unser Sohn lachte sich schlapp und Igor wollte gar nicht mehr aufhören. Das zu sehen war wirklich schön. Warum das so schön ist? Weil wir – bis zu diesem Moment – einen steinigen Weg hinter uns hatten.
Igor ist ein super Hund. Er ist lieb, mag die meisten Menschen und ist auch mit anderen Hunden meistens gut verträglich. Er ist sehr verschmust und sucht immer die Nähe seiner Bezugspersonen. Bis er gemerkt hat, dass ich schwanger bin, hat es ein paar Monate gedauert. Oder vielleicht hat er auch nicht so gezeigt. Ich weiß es nicht genau. Etwa im fünften oder sechsten Monat begann er plötzlich im Garten ständig zu bellen und bellte auch, wenn es an der Tür klingelte. Das kannten wir von Igor nicht. Auch wenn er nur einen anderen Hund draußen hörte, bellte er im Haus. Ich wachte davon oft auf und erschrak fürchterlich. Wir müssen allerdings auch gestehen, dass wir dieses Verhalten nicht ernst genug genommen haben und unternahmen nichts dagegen. Das fiel uns dann recht schnell wieder auf die Füße, als unser Sohn dann geboren wurde. Denn erst später merken wir, dass Igor auf einmal einen starken Beschützerinstikt entwickelt hatte.
Das erste Kennenlernen
Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kam Igor auch recht schnell wieder zu uns nach Hause. Ich machte mir schon vor der Geburt viele Gedanken darüber, wie ich die erste Begegnung zwischen Hund und Baby gestallten wollte. Ich beschloss, das Igor vom ersten Moment an zum Baby durfte, es anschnuffeln und auch an den Händen oder Füßen ablecken durfte. Das erschien mir wichtig, denn Hunde lecken andere Hunde ab, damit sie den Geruch des Rudels annehmen.
Gesagt, getan: die erste Begegngung zwischen Paul und Igor fand statt, als Paul gerade einmal sechs Tage alt war. Igor wurde von meiner Mutter gebracht. Paul schlief in seiner Stubenwiege und wir ließen Igor erst einmal frei im Wohnzimmer schnuppern. Er merkte schnell, dass sich etwas verändert hatte. Mein Bauch war nicht mehr so riesig (die Mütter unter euch werden wissen, wie ein Bauch sechs Tage nach der Geburt aussieht) und er roch unseren Sohn.
Liebe auf den ersten (Hunde)Blick
Etwa eine halbe Stunde später wachte Paul auf und ich nahm ihn in den Arm. Und das war der große Moment. Ich setze mich mit Paul auf den Boden und Igor kam sofort angerannt. Ich kenne meinen Hund wirklich sehr gut und wusste, er würde Paul nichts tun. Dennoch war ich Habachtstellung, denn man weiß niemals ganz genau, wie ein Tier reagieren wird. Aber Igor tat, was ich erwartet hatte: er schlabberte Pauls Ohr ab. Ganz vorsichtig. Es war so süß.
Für Igor war die Situation allerdings doch stressiger als wir dachten, denn er fing schlagartig an zu hecheln. Das war für uns ein Zeichen: jetzt müssen wir uns um Igor kümmern. Um den Stress aus der Situation zu nehmen, gingen wir spazieren. Zum Glück war es recht kalt und wir konnten uns alle etwas abkühlen.
Und dann kam der Alltag
So langsam gewöhnte sich Igor an die neue Situation und der erste Abend war super. Igor durfte schon immer bei uns im Bett schlafen (ja, wir lassen unseren Hund im Bett schlafen, weil wir das mögen) und auch mit Baby wollten wir, dass Igor sich nicht ausgeschlossen fühlt. Paul schlief bei mir im Arm, Igor in der Mitte, zwischen mir und meinem Mann. Immer ein Auge auf Paul. Das war wirklich süß.

So vergingen die ersten drei Wochen mit Paul. Igor war zufrieden, wir waren zufrieden. Es schien, als hätten wir alles richtig gemacht. Tja, dann kam der Alltag. Mein Mann musste wieder arbeiten und ich war mit Baby, Hund und Haushalt allein. Ich kam schnell an meine Grenzen: unser Sohn wollte sich nicht ablegen lassen und weinte viel, der Hund wollte meine Aufmerksamkeit und draußen war Winter, so konnte ich Igor nicht so ohne Weiteres im Garten spielen lassen. Meine Hormone spielten verrückt, ich war gestresst und mir wuchs alles über den Kopf. Igor verstand die Welt nicht mehr und suchte meine Nähe. Das ging aber oft nicht, weil ich Paul auf dem Arm hatte. Mein schlechtes Gewissen wurde immer größer, aber ich konnte einfach nicht beiden gleichermaßen gerecht werden.
Ein Teufelskreis
Wir kamen in eine Spirale: Hund wollte Aufmerksamkeit, Kinde wollte Aufmerksamkeit. Hund läuft mir zwischen die Füße, weil ich ihn nicht beachtet hatte, ich wurde wütend und schickte ihn auf seinen Platz. Mehrmals täglich bin ich in den ersten Stock gegangen um unseren Sohn zu wickeln, Igor musste im Erdgeschoss warten. Ich konnte ja nicht Baby und Hund die Treppen rauf tragen. Igors Beschützerinstinkt wurde immer stärker und er bellte ständig. Daraufhin schimpfte ich mit ihm und schickte ihn wieder auf seinen Platz.

Die Situation wurde immer schlimmer. Die Spitze war an einem Sonntagabend erreicht, als Paul etwa sechs Wochen alt war. Wir badeten ihn und schalteten die Heizung im Badezimmer ein. Damit sich das Baby nicht erkältet, schlossen wir die Tür. Igor wollte nicht mit ins Bad, es war ihm wohl zu heiß. So standen also mein Mann und ich im Bad, mit Baby, die Tür geschlossen. Man kann sich gut vorstellen, wie sich Igor gefühlt hat: völlig ausgeschlossen. Und das zeigte er uns, indem er ein paar Minuten später zu uns ins Kinderzimmer kam, uns beide ansah und vor unseren Augen auf den Teppich gepinkelt hat.
Jetzt mussten wir handeln
Uns war klar, dass wir als Hundeeltern versagt hatten. Uns war aber auch klar, das Igor ein vollwertiges Familienmitglied ist und nun unsere Aufmerksamkeit braucht. Wir besannen uns also und arbeiteten an unserer Einstellung und unserem Vorgehen. Ab diesem Zeitpunkt integrierten Igor noch mehr in unseren Alltag als Familie.
Wir nahmen Paul auf den Arm, wenn Igor sein Futter bekam, ließen ihn Leckerchen aus Pauls Hand essen und nahmen ihn mit, wo immer wir konnten. Abends teilten wir uns auf: einer kümmerte sich um den Hund, einer um das Baby. Gleichzeitig setzen wir aber mehr Grenzen um Igor seinen Beschützerinstinkt abzugewöhnen. Wir ließen ihn beim Spazierengehen an der Leine nur noch hinter uns laufen, schickten ihm beim Bellen im Garten auf seinen Platz und zeigten auch sonst, wo wir konnten, dass es nicht Igors Aufgabe ist, uns zu beschützen. Ganz im Gegenteil: wir beschützen Igor.

Ob das geklappt hat? Ich kann reinen Gewissens sagen: ja, hat es. Heute, sieben Monate nach der Geburt unseres Sohnes, sind die beiden ein Herz und eine Seele. Wir müssen zwar öfter auf Igor aufpassen (unser Sohn weiß nun mal noch nicht, dass man Igor nicht an den Ohren ziehen darf), aber wir nutzen jede Situation um unserem Sohn zu erklären, dass er Igor nicht wehtun darf. Das klappt auch ganz gut, dennoch lassen wir die beiden keine Sekunde allein. Ich würde zwar meine Hand für Igor ins Feuer legen, dass er niemals von sich aus beißen würde, dennoch möchte ich kein Risiko eingehen.
Auch für mich ist es einfacher geworden, denn Igor kennt jetzt seinen Platz “im Rudel”. Ich nehme mir bewusst Zeit für ihn, auch wenn er jetzt – natürlich – zurückstecken muss. Aber Igor akzeptiert die Situation und fordert die Aufmerksamkeit ein, die er braucht. Aber ich gebe zu, ab und an habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich Igor wieder einmal zur Seite schicken muss. Aber ich “mache das wieder gut”, indem es nachts, wenn ich mal wieder nicht schlafen kann, ausgiebige Kuscheleinheiten gibt 🙂

HUND UND BABY
Wir sind froh, dass unser Sohn mit einem Hund aufwachsen kann und freuen uns schon auf die Zeit, wenn unser Sohn sein Wurstbrot mit Igor teilt 🙂