Riechen, Schmecken, Hören, Sehen und Fühlen: Das sind die fünf Sinne des Menschen, die wir uns mit unseren pelzigen Mitbewohnern teilen. Tierhalter wissen allerdings aus eigener Erfahrung, dass Hunde und Katzen scheinbar einen weiteren Sinn haben, der ihnen nahezu telepathische Fähigkeiten verleiht. Genau dieser spannenden Frage nach der Wahrheit hinter dem sechsten bzw. siebten Sinn möchten wir heute auf den Grund gehen.
Der alltägliche Zauber des siebten Sinns
Für Haushalte mit Hunden ist das folgende Phänomen zwar unerklärlich aber dennoch Realität: Es ist ein sonniger Frühabend im Juli. Die Sonne scheint warm durch die Terrassentür ins Wohnzimmer, wo Balu gerade in seinem Körbchen faulenzt, während Frauchen mit den Kindern auf dem Sofa sitzt. Nach einer Weile wird der pechschwarze Labrador zunehmend unruhig.
Plötzlich springt er auf, trabt schwanzwedelnd zur Haustür und blickt erwartungsvoll durch die Glasscheibe. Aus dem Hintergrund fragt die kleine Ida: „Was ist denn mit Balu los, da ist doch niemand?“ Tatsächlich tut sich draußen nichts, weder ein Auto noch eine Katze und noch nicht einmal der Postbote bewegen sich an der Einfahrt vorbei.
Kaum eine Minute später biegt ein Wagen um die Ecke und parkt in der Hofeinfahrt. Balu springt freudig bellend an der Haustür hoch, um sein Herrchen gebührend zu empfangen. Die Frage, die sich jeder Hundehalter an dieser Stelle stellt:
- Wie hat Balu das nur gemacht?
- Besitzt er etwa telepathische Fähigkeiten?
- Handelt es sich dabei vielleicht um einen siebten Sinn, über den nur Tiere verfügen?
Hunderte Geschichten untermauern den Mythos
Es gibt tatsächlich einige ernstzunehmende Autorinnen und Autoren, wie den Bestsellerautor Rupert Sheldrake, die unseren Schlappohren einen siebten Sinn zuschreiben. Wenn auch Du einmal solche Erfahrungen mit Deinem Hund gemacht hast, erscheint Dir diese Interpretation sicherlich auch nicht völlig abwegig.
Untermauert wird die Theorie des siebten Sinns durch etliche Geschichten, die man sich bereits Jahrhunderten erzählt. Allein aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sind hunderte Geschichten überliefert, in denen Hunde ihre Besitzer vor Flugzeugbombardements und Artillerieeinschlägen „gewarnt“ haben sollen. Die Frage ist nur, wie die Tiere das angestellt haben.
Hunde sind aufmerksame Beobachter
Wenn Du glaubst, die „Gabe“ der Hunde grenzt an Magie, müssen wir Dir den Zahn gleich ziehen. Die Antwort auf den Zauber unserer Schlappohren ist wesentlich irdischer. Wie die Diplom-Tierpsychologin Petra Mundsahl ausführt, liegt es daran, dass unsere Haustiere sehr aufmerksame Beobachter sind.
Genau betrachtet ist das auch kein Wunder. Immerhin verbringen unsere Hunde den Löwenanteil ihrer Lebenszeit in unserer Nähe. Damit haben sie mehr als genug Zeit, um uns, unser Verhalten und unsere Routinen zu analysieren und ihre Schlüsse daraus zu ziehen. Nehmen wir einmal Balu aus dem eingangs beschriebenen Beispiel. Balu kennt den Ablauf seiner Familie.
Er hat gelernt, dass Frauchen und die Kinder beinahe jeden Tag diese komische Fernsehserie mit diesem fürchterlich laut kreischenden Schwamm in der flimmernden Kiste anschauen. Sobald die Serie läuft, dauert es dann auch nicht lange, bis Herrchen von der Arbeit kommt. Damit wird die Fernsehserie zum Trigger für Balu, der ihn dazu bewegt, sich erwartungsfroh zur Tür aufzumachen.
Das ist bei Weitem nicht das einzige Beispiel für diesen Mechanismus. Hunde können auch aus Gesprächen, menschlicher Mimik, dem Sonnenstand, unserer Kleidung oder der regelmäßigen Verwendung bestimmter Gegenstände Rückschlüsse ziehen und damit bestimmte Situationen verknüpfen.
Schärfere Sinne statt Magie
Natürlich erklärt selbst eine außerordentlich gute Beobachtungsgabe nicht die kleinen alltäglichen „Wunder“, die Hunde vollbringen. Woher etwa sollte ein Hund Regelmäßigkeiten bei Bombenangriffen erkennen und so seine Besitzer durch sein Verhalten „warnen“? Des Rätsels Lösung sind die fünf Sinne unserer Vierbeiner. Einige dieser Sinne sind schließlich um ein Vielfaches besser ausgeprägt als bei uns Menschen.
Bei Hunden sind es die Klassiker: der Geruchssinn und das Gehör. Als Menschen können wir die charakteristischen Geräusche von Benzin- und Dieselmotoren auseinanderhalten. Meist ist auch die Unterscheidung verschiedener Motorentypen kein Problem. Hunde jedoch haben ein extrem feines Gehör. Damit können sie den spezifischen Klang eines einzelnen Motors erkennen und ihn dem Auto ihrer Halterin bzw. ihres Halters zuordnen. Und das sogar über große Entfernungen.
Kein Wunder, dass Balu bereits an der Tür hochspringt, bevor das Auto in die Einfahrt einbiegt. Auf ähnliche Weise lassen sich die „Kriegsgeschichten“ aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg erklären. In diesen Fällen hatten die Hunde gelernt, dass von Flugzeugmotoren Gefahr ausgeht. Auch das Surren abgeschossener Granaten konnten sie deutlich früher wahrnehmen. Mit Zauberei haben die faszinierenden Fähigkeiten unserer Schlappohren also wenig zu tun.
Elektromagnetismus – Hunde haben doch einen siebten Sinn
Schärfere Sinne und eine herausragende Beobachtungsgabe können wir trotz fehlender Magie als sechsten Sinn bezeichnen. Wie neueste wissenschaftliche Erkenntnisse nahelegen, könnten Hunde aber tatsächlich einen weiteren Sinn haben, der uns Menschen fehlt. Oder, den wir zumindest nicht (mehr) bewusst wahrnehmen und nutzen können. Und was soll das sein? Ganz einfach: Magnetismus.
Magnetismus im Reich der Tiere
Tiere legen viele faszinierende Verhaltensweisen an den Tag, die wir erst langsam verstehen.
- Woher wissen Ameisen beispielsweise, dass ein Erdbeben oder Vulkanausbruch bevorsteht, und ändern ihr Verhalten?
- Woher wissen Lachse, Schildkröten und Wale, wohin sie wandern müssen oder wie sie an den Ort ihrer Geburt zurückkehren – und das über tausende Kilometer?
- Warum grasen Kühe immer in der gleichen Richtung, und zwar in Nord-Süd-Richtung?
Die Antwort lautet Magnetismus, denn die Tiere können das Magnetfeld der Erde wahrnehmen oder orientieren sich sogar daran. Was bei so vielen Arten funktioniert, könnte doch auch bei Hunden und Katzen der Fall sein, oder?
Hunde pinkeln nach Erdmagnetfeld
Mit dieser Frage hat sich ein Forscherteam rund um den Zoologen Hynek Burda befasst. In einem Experiment beobachteten die Wissenschaftler der Agraruniversität Prag und der Universität Duisburg-Essen etliche Hunde dabei, wie sie ihr Geschäft verrichteten und dokumentierten die Ergebnisse. Eine erste Analyse der über 7.000 Datensätze fiel zunächst ernüchternd aus, da kein Muster zu erkennen war. Anschließend nahmen die Forscher die Eigenheiten des Erdmagnetfelds zum Zeitpunkt der Datenerfassung genauer unter die Lupe. Daraus ergab sich eine verblüffende Erkenntnis:
„Die Hunde richteten sich sehr wohl vorzugsweise entlang der magnetischen Nord-Süd-Achse aus. Allerdings taten sie das nur in den Phasen, in denen das Erdmagnetfeld ruhig war“, so Burda in seinem Resümee.
Damit scheint klar, dass auch Hunde zu den Tieren gehören, die über einen weiteren Sinn zur Wahrnehmung von Magnetfeldern verfügen.
Fazit: Hunde haben einen sechsten und siebten Sinn
Unter dem Strich müssen wir neidlos anerkennen, dass Hunde durch ihre schärferen Sinne nicht nur über einen sinnbildlichen sechsten Sinn verfügen. Sie haben durch ihre Fähigkeit zur Wahrnehmung des Erdmagnetfelds sogar einen waschechten siebten Sinn. Allerdings ist bis zum jetzigen Zeitpunkt noch zu wenig darüber bekannt, um die Funktionsweise genau erklären zu können. Bis auf weiteres bleiben die besonderen Fähigkeiten unserer Schlappohren also doch ein wenig magisch.