Die Verbindung zwischen Mensch und Hund ist eine ganz besondere. Dabei erfolgte die Domestizierung des Wolfes für beide Seiten nicht ganz uneigennützig. Während der Mensch dem „Hund“ Schutz und Futter garantierte, half der „Hund“ wahlweise als Zugtier, Hütehund, Wachhund oder Jagdhund aus. Kein Wunder, dass etliche heute beliebte Rassen im Laufe von Jahrhunderten ursprünglich zur Jagd gezüchtet wurden.
Dieses Erbe tragen die Schlappohren in Form des Jagdtriebs noch immer in sich. Das wird in der modernen Gesellschaft oder bei gemütlichen Waldspaziergängen häufig zum unerwünschten Problem. Lässt sich der Jagdtrieb überhaupt abstellen? Und, wenn ja, wie funktioniert es am besten? Wir erklären Dir, wie das Antijagdtraining funktioniert.
Was versteht man überhaupt unter dem Jagdtrieb?
Irgendwo in der Ferne raschelt es im Unterholz, und ehe Du Dich versiehst, ist Dein Hund einem Reh, Feldhasen oder einem Mäuschen hinterhergedüst. Das kennst Du? Glückwunsch, Dein Hund hat einen ausgesprochen ausgebildeten Jagdtrieb. Aber was ist das eigentlich?
Neben dem Territorialinstinkt, dem sozialen Rudelinstinkt und dem Sexualinstinkt gehört der Jagdinstinkt zu den Urinstinkten des Wolfes bzw. des daraus hervorgegangenen Hundes. Beim Jagdtrieb handelt es sich also um ein instinktgesteuertes Verhalten, das genetisch fixiert ist.
Warum sollte es auch anders sein, denn in freier Wildbahn ist die Nahrungssuche für Wölfte essenziell. Obwohl Du Deinem kleinen Jäger das Futter auf dem Silbertablett servierst, ändert das nichts am vorhandenen Trieb, einer potenziellen Nahrungsquelle nachzujagen.
Hättest Du das gewusst?
Es geht Deinem Hund bei der Jagd gar nicht vorrangig darum, seine Beute tatsächlich zu fangen und zu töten. Schon die Jagdaktivität (insbesondere das Hetzen) setzt Glückshormone (Endorphine) frei. Damit verstärkt sich das Jagdverhalten wie ein Perpetuum Mobile selbst. Je häufiger Dein Hund also bereits ein „erfolgreiches“ Jagderlebnis hatte, desto aufwendiger ist es, ihm dies wieder abzutrainieren.
Alle Hunde haben einen mehr oder weniger starken Jagdtrieb
Jeder Hund stammt vom Urvater Wolf ab. Damit verfügt auch jeder Hund in seinem tiefsten Inneren über einen Jagdtrieb. Wie tief dieser Instinkt in Deinem Hund verbuddelt ist, hängt von der Rasse ab. Das bedeutet auch, dass die Reizschwelle für das Jagdverhalten bei einigen Rassen deutlich niedriger liegt als bei anderen Rassen. Speziell Hunderassen, die gezielt zum Jagen gezüchtet worden sind, verfügen natürlich über einen besonders starken Jagdinstinkt. Dazu gehören unter anderem folgende Rassen:
- Beagle
- Dackel
- Weimaraner
- Terrier
- Bassett
- Deutsch Kurzhaar
- Pointer
- Spaniel
- Border Collie
- Australian Shepherd
- etc.
Klassische Familienhunde wie der Mops, der Malteser oder der Golden Retriever, aber überraschenderweise auch der Boxer haben ein nur minimal ausgeprägtes Jagdverhalten. Sogar der für sein quasi nicht vorhandenes Jagdverhalten bekannte Husky kann jagen. Dementsprechend kann auch in einem noch so sozialverträglichen Labrador das Jagdfieber auflodern. Gut, wenn Du ihm dieses bereits als Welpe ausgetrieben hast.
Die typischen Verhaltensmuster entwickeln sich nämlich schon zwischen der 8. und 16. Lebenswoche. Zwischen dem 6. und 8. Lebensmonat festigen sich die Verhaltensmuster dann und treten auch im Alltag deutlich sichtbar zutage.
Tipp: Daran erkennst Du typisches Jagdverhalten
- Deine Fellnase durchwühlt den Boden auf der Suche nach Mäusen und anderen Kleintieren.
- Bei Spaziergängen rennt Dein Hund Vögeln hinterher.
- Spielt Dein Hund mit Artgenossen, liebt er ausgiebiges Hinterherjagen.
- Bei einem sehr ausgeprägten Jagdtrieb kommt es zu Wilderei (zum Beispiel Töten von Enten, Hasen oder Mäusen).
Darum solltest Du Deinem Hund den Jagdtrieb unbedingt abtrainieren
Klar, Hunde sind Tiere mit einem ursprünglichen Jagdinstinkt. Die Jagd ist also ein völlig natürliches Verhalten. Für Hunde, die tatsächlich bei der Jagd eingesetzt werden, ist das auch heute noch sinnvoll. Im Alltag wird der Jagdtrieb aber zur Gefahr für andere Tiere, andere Menschen, für Dich selbst sowie für Deinen Hund. Immerhin kommt es oft vor, dass sich Schlappohren an harmlosen Radfahrern oder Joggern vergehen. Sozialverträgliches Verhalten geht definitiv anders.
Durch ein Antijagdtraining kannst Du diesen Stress gezielt vermeiden. In ihrem blinden Verfolgungsmodus blenden Hunde durch das Fixieren der Beute jedoch auch jegliche Gefahren aus. So mancher Hund verschwindet auf nimmer Wiedersehen im Unterholz oder läuft sogar auf eine stark befahrene Straße. Kommt es hier zu einem Unfall, kann nicht nur Dein Vierbeiner zu Tode kommen.
Auch die eventuellen Sach- und Personenschäden können enorm sein. Als Hundehalter bist Du im Übrigen für all diese Schäden und Schadenersatzansprüche mit Deinem gesamten Privatvermögen haftbar zu machen. Eine Hundehalterhaftpflichtversicherung schützt Dich schon für weniger als zehn Euro im Monat vor existenziell bedrohlichen Schadenersatzansprüchen. Speziell bei Personenschäden können diese Kosten sogar in die Millionen gehen.
Achtung: Lebensgefährlicher Jagdtrieb
Aber auch abseits des von Menschen belegten Raums birgt das Jagdverhalten Deines Hundes für ihn selbst große Gefahren. Nicht wenige Hunde haben sich bei dem Versuch, sich mit einem ausgewachsenen Wildschwein anzulegen, schwer verletzt oder sind sogar an ihren Verletzungen gestorben. Klar, eine gute Hundekrankenversicherung hilft auch hier, die Behandlungskosten abzudecken. Um dem Ganzen vorzubeugen, ist ein präventives Antijagdtraining jedoch deutlich sinnvoller.
Mythos aufgeklärt: Zusammenhang zwischen Kastration und Jagdtrieb
Hat Dir auch schon einmal jemand erzählt, dass Du Deinen Hund einfach nur kastrieren lassen musst und schon hätte sich das Problem mit dem Jagdtrieb erledigt? Verantwortlich für diese Annahme ist der etwas hinkende Vergleich mit dem Menschen. Grundsätzlich entfernt der Tierarzt bei der Kastration mit den Hoden bzw. den Eierstöcken wichtige Organe für die Hormonproduktion.
Genau genommen geht es um die Produktion der Sexualhormone Östrogen (Hündin) bzw. Testosteron (Rüden). Tatsächlich ist es so, dass ein geringerer Östrogenspiegel bzw. Testosteronspielgel bei Menschen mit einem weniger aggressiven und sexualtriebhaftem Verhalten einhergeht.
Durch die Kastration kommt es auch bei Hunden lediglich zu einem verringerten Imponier- und Kampfverhalten sowie zu einem reduzierten Sexualverhalten. Mit dem Jagdtrieb hat das jedoch nichts zu tun. Diesen Basisinstinkt kannst Du auch beim Tierarzt nicht einfach „aus den Genen Deiner Fellnase schneiden“ lassen.
Wann ist ein Antijagdtraining sinnvoll?
Antijagdtraining ist immer dann sinnvoll, wenn Dein Hund zum Jagen neigt. Aus Erfahrung heraus können wir jedoch sagen, dass selbst die bravsten Familienhunde ein paar Einheiten und Maßnahmen vertragen können. Um es kurz zu machen: Antijagdtraining ist immer sinnvoll. Ob Du privat daran arbeitest oder bei „Intensivtätern“ einen Kurs in einer guten Hundeschule absolvierst – das ist Dir überlassen.
5 Tipps, um den Jagdtrieb in den Griff zu bekommen
Es muss nicht gleich ein klassisches Antijagdtraining sein. Gerade leichtem Triebverhalten kannst Du mit einfachen Maßnahmen schon früh einen Riegel vorschieben. Die folgenden fünf Tipps sind definitiv Gold wert:
1. Stärke Eure Bindung
Damit Du das Antijagdtraining (und damit auch die folgenden Schritte) optimal umsetzen kannst, musst Du Eure Bindung stärken. Je stärker die Bindung, desto einfacher wird Deiner Fellnase das Training (zum Beispiel die Impulskontrolle) fallen. Belohne Deinen Hund, wenn er gewünschtes Verhalten zeigt oder sich zu Dir umsieht.
Kuschele mit ihm, aber lege bei der Erziehung auch die notwendige (liebevolle) Konsequenz an den Tag. Nur so kann Dich Dein Vierbeiner als Rudelführer akzeptieren. Das verschafft Dir auch dann die nötige Autorität, wenn ein „leckerer Rehbraten“ über den Waldweg huscht.
2. Hunde ausreichend auslasten
Ein ausgelasteter Hund ist ein braver und gehorsamer Hund. Im Gegensatz dazu neigen Hunde, die körperlich und geistig zu wenig gefordert sind, zu unerwünschtem Verhalten. Neben dem Pöbeln an der Leine äußert sich mangelnde Auslastung auch anhand von gesteigertem Jagdtrieb.
Laste Deinen Hund etwa mit einer artgerechten Hundesportart wie Agility, Dogscooting und Co. aus. Aber auch Radfahren, lange Wanderungen und Intelligenzspiele sind enorm effektiv. Retriever wie der Labrador oder der Golden Retriever etwa lieben das Schwimmen und Apportieren. Andere Hunde dagegen kannst Du zusätzlich mit Hundepuzzles und Schnüffelteppichen auslasten.
3. Grundkommandos trainieren
Eigentlich ist es eine Binsenweisheit. Aber ohne perfekt sitzende Grundkommandos hast Du Deine Fellnase im Fall der Fälle nicht unter Kontrolle. Folgt Dein Hund sicher Deinen Abbruch- und Rückruf-Kommandos, kannst Du ihn auch auf frischer Tat mitten im Wald ohne Leine davon abhalten, ein Häschen zu verfolgen.
Übe die Grundkommandos daher nicht nur im Welpenalter, sondern ein Leben lang. „Nein“, „Sitz“, „Aus“, „Platz“, „Hier“ und ein Freigabekommando wie „Lauf“ oder „Nimm“ sind das Minimum.
4. So früh wie möglich anfangen
Früh übt sich, wer ein gelassener Hund werden möchte. Die Grundlagen für einen gedämpften Jagdtrieb legst Du bereits in der Sozialisierungsphase (4. bis 16. Woche). Ok, zumindest bis zur 8. Woche hat die Mutter das Zepter in der Hand.
Das Training setzt Du also am besten schon an, wenn der Welpe ins Haus kommt. Aber keine Angst: Für ein Antijagdtraining ist es nie zu spät. Es dauert nur entsprechend länger. Je älter Dein Hund ist, desto notwendiger ist häufig jedoch professionelle Hilfe.
5. Impulskontrolle üben
Beim Hundetraining im Allgemeinen und beim Antijagdtraining im Speziellen geht es häufig um Impulskontrolle. Um Deinen Hund von einer potenziellen Beute fernzuhalten, ist das Training des Impulsverhaltens essenziell. Am besten funktioniert dies, indem Du Deinem Hund ein Freigabekommando beibringst.
Stelle beispielsweise den Fressnapf Deines Hundes langsam ab und befehle ihm, dabei brav im „Sitz“ zu warten. Der Hund muss sich so lange unter Kontrolle halten, bis der Napf steht. Ziel der Übung ist es, dass Dein Hund seinen Napf nur noch anrührt, wenn Du ihm beispielsweise das Freigabekommando „Nimm“ gibst.
Das geht auch bei anderen alltäglichen Beschäftigungen wie beim Ballspiel. Hier darf Deine Fellnase den Ball erst holen, wenn Du ihn mit dem Kommando „Hol“ oder „Such“ frei gibst.
Tipp: Nutze das Jagdtalent Deines Hundes für ein besonderes Hobby
Viele Hunde mit großem Jagdtrieb eignen sich im Übrigen auch perfekt als Such- und Rettungshunde. Wenn Du also nach einem Hobby für Deine Fellnase und Dich suchst, das wirklich fordernd ist, ist das Ehrenamt in der nächstgelegenen Rettungshundestaffel eine prima Idee. Immerhin machst Du Dir den Jagdtrieb Deiner Fellnase hier „produktiv“ zunutze, um ihn in sinnvolle Bahnen zu lenken.
Gleichzeitig ist Dein Hund durch das umfangreiche Training nicht nur optimal ausgelastet. Auch Du findest neue Kontakte und hoffentlich ein spannendes Hobby fürs Leben. Nähere Informationen über die nächstgelegene Rettungshundestaffel findest Du unter anderem bei den folgenden Organisationen:
- Bundesverband Rettungshunde e.V.
- Arbeiter-Samariter-Bund (ASB)
- Deutsches Rotes Kreuz (DRK)
- Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft e.V. (DLRG)
Was Du noch tun kannst
Eigeninitiative ist der beste Freund des Hundehalters. Aus der Praxis wissen wir jedoch: Hunde sind Lebewesen, die manchmal auch einen gewaltigen Dickschädel haben können. Was also, wenn die selbst getroffenen Maßnahmen nicht den durchschlagenden Erfolg haben? Dann ist die nächste Hundeschule der beste Ansprechpartner für Dich. Lass Dir von erfahrenen Hundetrainern helfen. Auf die Expertise der langjährigen Hundeversteher ist Verlass.
Und trotzdem kann bei einem Spaziergang im Wald immer wieder etwas passieren. Hunde sind eben instinktgesteuert. Damit Du Deinen Liebling in einem solchen Fall zielsicher wiederfindest, bietet sich ein GPS-Empfänger an. Durch einen solchen GPS-Tracker kannst Du mit Deinem Smartphone oder Tablet immer verfolgen, wo Dein Jäger abgeblieben ist und ihn sicher zurückholen.
Passt eine Hunderasse mit starkem Jagdtrieb zu mir?
Du möchtest Dich nicht groß mit Antijagdtraining herumplagen? Dann solltest Du um alle Jagdhunde-Rassen am besten einen Bogen machen. Liebäugelst Du dennoch mit einem Schlitzohr mit Jagdtrieb, solltest Du einige Dinge beachten.
Sei Dir dessen bewusst, dass aktive Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb (trotz Antijagdtraining) auch einen aktiven Besitzer benötigen. Gerade bei unzureichend ausgelasteten Jagdhunden schlägt der Trieb nochmals stärker durch. Hast Du dagegen kein Interesse an Ballspielen, Apportiertraining und häufig stundenlangen Spaziergängen im Wald – dann lass es besser.
Zudem musst Du selbst ein willensstarker, konsequenter und geduldiger Charakter sein, denn solche Hunde sind nicht leicht zu erziehen. Erfüllst Du jedoch die Voraussetzungen, kannst Du Dir bedenkenlos einen Jagdhund zulegen und diesen fit für ein sozialverträgliches Leben machen.